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Stellungnahme zur Sozialstaatsreform

Schriftliche Stellungnahme des SoVD an die Sozialstaatskommission zu den geplanten Reformen bei steuerfinanzierten Sozialleistungen

1 Vorbemerkung

Die geplante Sozialstaatsreform ist eines der weitreichendsten Vorhaben der neuen Bundesregierung. In Deutschland beziehen schätzungsweise über zehn Millionen Menschen steuerfinanzierte Sozialleistungen . Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, den Sozialstaat, insbesondere steuerfinanzierte Sozialleistungen, effizienter und bürger*innenfreundlicher zu gestalten. Dabei soll das soziale Schutzniveau beibehalten werden.

Die neu eingerichtete Kommission zur Sozialstaatsreform soll bis zum Ende des Jahres 2025 Vorschläge zur Modernisierung des Sozialstaats und der Sozialverwaltung unterbreiten, mit dem Ziel, die Bürgerfreundlichkeit, Effizienz und Wirksamkeit zu verbessern. Sie setzt sich aus Vertreter*innen von Bund, Ländern und Kommunen zusammen und hört bei ihrer Entscheidungsfindung auch Expert*innen und Stakeholder*innen an. Der SoVD wird als Stakeholder beteiligt. 

Der SoVD tritt dabei für Solidarität und sozialen Zusammenhalt ein und fordert eine zugängliche und bedarfsgerechte sozialstaatliche Sicherung. Als deutschlandweit aktiver Sozialverband berät er seine rund 600.000 Mitglieder in sozialrechtlichen Angelegenheiten und vertritt sie in Widerspruchs- und Klageverfahren. Diese Erfahrungen und seine sozialrechtliche Expertise bringt der SoVD als Stakeholder mit ein.

Der SoVD warnt eindringlich davor, dass unter dem Vorwand der Pauschalierung, Effizienzsteigerungen und Modernisierung Leistungskürzungen auf den Weg gebracht werden, die die Armut in Deutschland weiterverbreiten. Dies drohe vor allem bei der Zusammenlegung von Sozialleistungen, Pauschalierungen bei den Kosten der Unterkünfte der Grundsicherung und bei notwendigen Mehrbedarfen. Der SoVD appelliert an die Sozialstaatskommission, in ihren Beratungen stets die Auswirkungen auf die Leistungsberechtigten zu beachten. Außerdem müssen die Empfehlungen mit dem Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, das soziale Schutzniveau zu bewahren, durchgehend vereinbar sein. 

Der SoVD ist überzeugt, dass durch den Abbau von bürokratischen Hürden und ein besseres Service-Angebot die Zugänglichkeit von Sozialleistungen verbessert werden kann. Die Inanspruchnahme der meisten steuerfinanzierten Sozialleistungen, die dem Lebensunterhalt dienen, wird in Studien regelmäßig auf nur etwa 50 Prozent geschätzt. Die Folgen von verdeckter Armut sind schwerwiegend, vor allem für Kinder. Aus Sicht des SoVD bieten auch Digitalisierungsvorhaben große Vorteile für die Sozialverwaltung und Bürger*innen, sofern das Service-Angebot vor Ort nicht vernachlässigt wird.

Im Folgenden unterbreitet der SoVD Reformvorschläge, die für eine gelungene Sozialstaatsreform unerlässlich sind.

2 SoVD-Reformvorschläge

Bürgerfreundlicher Sozialstaat

Zugänglichkeit des Sozialstaates verbessern 

Der SoVD kritisiert die erheblichen bürokratischen Hürden, mit denen die Leistungsberechtigten konfrontiert werden. Diese gelten als eine der größten Ursachen verdeckter Armut. Für Leistungsberechtigte ist es schwer, die Vielzahl an Sozialleistungen zu überblicken und zu verstehen, welche Sozialleistungen gleichzeitig bezogen werden können und welche sich ausschließen. Dies ist jedoch erforderlich, um abzuschätzen, ob und welche staatliche Hilfe in Anspruch genommen werden kann. Dazu kommen erhebliche Herausforderungen bei der Beantragung. Zum Beispiel werden beim Wohngeld gebräuchliche Lohnabrechnungen nicht akzeptiert, sondern regelmäßig eine Verdienstbescheinigung nach § 23 Absatz 2 WoGG vom Arbeitgeber gefordert.

Leistungsberechtigte berichten in den Sozialrechtsberatungsstellen des SoVD davon, dass die (Wieder-)Beantragung von Leistungen sehr viel Zeit kostet. Besonders brisant ist dies, weil sie ihre Kapazitäten für Bewerbungsbemühungen oder Weiterbildungen benötigen. Diese sind auch bei hoher Motivation begrenzt, denn viele Sozialleistungsbeziehende üben bereits eine Beschäftigung aus und übernehmen zusätzlich außerordentlich viel Care-Arbeit, zum Beispiel Alleinerziehende mit kleinen Kindern oder Menschen, die sich zeitgleich um Kindererziehung und Pflege von Angehörigen kümmern. Das gilt nicht nur für das Bürgergeld, sondern auch für andere Leistungen wie Wohngeld oder Kinderzuschlag, die viele Menschen beziehen, die in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Es ist im gemeinsamen Interesse von Leistungsberechtigten, Arbeitgebenden und Steuerzahlenden, dass Leistungsbeziehende dabei unterstützt werden, sich beruflich weiterzuentwickeln, anstatt ihnen Steine in den Weg zu legen.

Einige Leistungsberechtigte geraten außerdem aufgrund von sehr langen Bearbeitungszeiten von Anträgen, insbesondere beim Wohngeld, in finanzielle Not. Die finanzielle Unsicherheit ist nicht nur emotional sehr belastend, sondern kann auch Überschuldung befördern. 

Der SoVD unterstreicht die Wichtigkeit eines bürgerfreundlicheren Sozialstaats. Die Sozialverwaltung wird in der Öffentlichkeit oft als Sorgenkind skandalisiert, da sie unnötig hohe Verwaltungskosten und bürokratischen Aufwand für die Bürger*innen verursacht. Die Sozialstaatsreform bietet die Chance, sie als Vorbild für gelungene Verwaltungsmodernisierungen zu präsentieren. Ein gut funktionierender Staat ist besonders wichtig in Zeiten, in denen das Vertrauen in die Institutionen beschädigt ist.

Dazu muss die Arbeit der Sozialverwaltung mithilfe von Rechtsvereinfachungen, besserem Datenaustausch und modernisierter digitaler Infrastruktur erleichtert werden (siehe auch „Modernisierung der Sozialverwaltung“). So könnten Mitarbeitende entlastet und somit mehr Kapazitäten für eine schnellere Bearbeitung von Anträgen und Beratungen von Bürger*innen frei werden.

Digitalen Bürgerservice verbessern

Der SoVD sieht Chancen der Digitalisierung nicht nur für die Sozialverwaltung, sondern auch für ein besseres Online-Angebot für die Bürger*innen. Hier ist insbesondere das Konzept eines One-Stop-Shops zu erwähnen, für das bereits verschiedene Pilotprojekte erprobt werden. Ein One-Stop-Shop als zentrale digitale Plattform für den Großteil aller Sozialleistungen bietet für Bürger*innen eine Vielzahl von Vorteilen.

Zum einen könnten auf der Webseite alle Informationen in gebündelter und leicht verständlicher Form sowie in verschiedenen Sprachen aufbereitet werden. Zudem könnte ein Online-Check eingerichtet werden, welcher es ermöglicht, eine Vorab-Einschätzung zu erhalten, ob und auf welche Sozialleistungen ein Anspruch bestehen könnte. Für die Einrichtung eines derartigen Online-Checks sind andere Bestandteile der Sozialstaatsreform, wie die Vereinheitlichung von Einkommens- und Vermögensbegriffen, von großer Bedeutung.

Ein weiterer Vorteil des One-Stop-Shops könnte sein, dass ein Großteil der persönlichen Daten nur einmal eingegeben werden muss (Once-Only). Aktuell geben viele Bürger*innen ihre Daten bei unterschiedlichen privaten Anbietern im Internet ein, um zu prüfen, ob sie einen Anspruch auf eine bestimmte Sozialleistung haben könnten. Darüber hinaus bestehen häufig Ansprüche auf mehrere Sozialleistungen gleichzeitig, zum Beispiel bei Wohngeld und Kinderzuschlag, was dazu führt, dass Leistungsberechtigte mehrere staatliche Online-Portale gleichzeitig nutzen müssen, wenn diese denn überhaupt zur Verfügung stehen.

Bei der Einrichtung eines One-Stop-Shops sollte Wert auf Verständlichkeit, Erreichbarkeit einer Online-/Telefonberatung und Funktionalität gelegt werden. Dazu könnte zum Beispiel eine Funktion beitragen, die den aktuellen Bearbeitungsstand anzeigt, wie es in vielen privatwirtschaftlichen Branchen üblich ist. Dadurch ließe sich Transparenz herstellen und vermeidbare Nachfragen der Antragstellenden könnten reduziert werden.

Aus Sicht des SoVD sind jedoch bei der Umsetzung eines One-Stop-Shops einige Aspekte zu beachten. Zum einen sind Sozialdaten besonders sensibel, weshalb hohe Anforderungen an den Datenschutz gelegt werden müssen. Außerdem sind die umfassende Barrierefreiheit in allen Funktionen und die Nutzungsmöglichkeit durch rechtliche Betreuer*innen absolut verpflichtend.

Bürgerservice vor Ort sichern und ausbauen

Der SoVD stellt klar, dass ein besseres Online-Angebot der Sozialverwaltung nicht bedeuten darf, dass der Service vor Ort vernachlässigt wird. Im Gegenteil: Durch ein umfangreiches Online-Angebot, können mehr Kapazitäten für die Beratung vor Ort geschaffen werden. Denn der Service vor Ort ist und bleibt für viele Menschen wichtig, zum Beispiel für Menschen, die Vorbehalte gegenüber der Nutzung von digitalen Endgeräten haben. Außerdem wäre es unzumutbar, zu verlangen, die komplexen Sachverhalte des Sozialrechts durch allein online zur Verfügung gestellte Informationen zu verstehen. Für den SoVD steht fest, dass zu der Beratungspflicht nach § 14 Abs. 1 SGB I stets eine Erreichbarkeit vor Ort dazu gehört.

Der SoVD regt an, das Potenzial eines One-Stop-Shops auch für den Service vor Ort zu nutzen. Die Träger der Sozialverwaltung könnten in einer gemeinsamen Stelle oder als neue Behörde ein „Front-Office“ einrichten, in welchem eine niedrigschwellige erste Beratung zu dem Großteil der Sozialleistungen stattfinden kann. Außerdem sei das Stellen von Anträgen möglich, welche anschließend an die zuständige Stelle weitergeleitet würden. Die geplanten Sozialstaatsreformen wie die Vereinheitlichung von Einkommens- und Vermögensbegriffen würden den rechtskreisübergreifenden Service erheblich erleichtern.

In einem ersten Schritt könnte die Servicestelle steuerfinanzierte Leistungen, die den Lebensunterhalt unterstützen, beinhalten. Dazu gehören in jedem Falle die Grundsicherungsleistungen (Bürgergeld, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfen zum Lebensunterhalt), Wohngeld, Kinderzuschlag, Kindergeld, Elterngeld und BAföG. Dies könnte die Nichtinanspruchnahme von Sozialleistungen und den bürokratischen Aufwand für Bürger*innen erheblich verringern.

Außerdem könnte eine „Clearing-Funktion“/Vorabprüfung der Servicestelle zu geringen Verwaltungskosten beitragen, indem Anträge auf Leistungen, auf die offenkundig kein Anspruch besteht, verringert werden. Dies gilt auch für den Anteil von versehentlich falsch oder unvollständig ausgefüllten Antragsformularen, die zu aufwendigen Nachforderungen von Unterlagen und weiteren Angaben oder gar zu falschen Bescheiden führen. 

Modernisierung der Sozialverwaltung

Die deutsche Sozialverwaltung steht angesichts des demographischen Wandels vor einer großen Herausforderung: Immer mehr gut ausgebildete und erfahrene Fachkräfte gehen in den Ruhestand, während es zugleich schwerer wird, Nachwuchskräfte zu gewinnen. Der SoVD befürwortet neben angemessen höheren Mitteln für Personal auch Modernisierungsmaßnahmen, die Prozesse verbessern.

Dafür sind neben Rechtsvereinfachungen vor allem Digitalisierungsvorhaben von großer Bedeutung. Noch immer entsteht bei vielen Behörden ein erheblicher Mehraufwand durch manuelle Vorgänge, die eigentlich automatisiert ablaufen könnten. Einige Fachkräfte kritisieren diesen administrativen Aufwand und wünschen sich lieber, sich auf die Sachbearbeitung, für die sie ausgebildet wurden, zu konzentrieren oder mehr zu beraten. Hierbei handelt es sich aus Sicht des SoVD um Einsatzbereiche, die für einen bürgerfreundlichen Sozialstaat dringend gestärkt werden müssen (siehe „Zugänglichkeit des Sozialstaats verbessern“).

Außerdem verwenden die Träger der Sozialverwaltung unterschiedliche IT-Systeme, die teilweise nicht miteinander kompatibel sind und hohe Fixkosten haben. Das führt zu Schnittstellenproblemen, die wiederum zu hohen Bearbeitungsaufwänden führen können. Die digitale Infrastruktur der Sozialverwaltung gilt es zu verbessern.

In diesem Zuge sollte die Erleichterung des Datenaustausches zwischen Behörden der Sozialverwaltung, Sozialversicherungsträgern, Finanzämtern und weiteren Behörden geprüft werden. Das „Once-Only-Prinzip“, also dass Daten durch die Bürger*innen nur einmal angegeben werden müssen, statt bei verschiedenen Behörden immer wieder vergleichbare Formulare auszufüllen, würde den bürokratischen Aufwand verringern. Hier gilt es, das Leitbild „Die Daten laufen lassen, nicht die Menschen“ zu verwirklichen. Auch die Sozialverwaltung kann davon profitieren, da ein automatisierter Datenaustausch weniger Verwaltungsaufwand verursachen dürfte als das Anfordern von Nachweisen. Wenn es möglich ist, sollten automatisierte Bewilligungen von Sozialleistungen eingeführt werden. Insbesondere beim Kindergeld, bei dem keine Bedürftigkeitsprüfung erfolgt, könnte durch einen Datenaustausch zwischen den Behörden wie der Familienkasse, den Finanzämtern und den Standesämtern die Leistung weitestgehend ohne langes Antragsformular und Nachweise der Leistungsberechtigten bewilligt werden. 

Pauschalisierungen im Sozialrecht

Bildungs- und Teilhabeleistungen (BuT)

Leistungsberechtigte Familien von Wohngeld, Bürgergeld, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie Hilfen zum Lebensunterhalt haben einen Anspruch auf Bildungs- und Teilhabeleistungen (BuT). Diese Leistungen müssen jedoch zusätzlich beantragt werden. Der Aufwand für die Leistungsberechtigten und die Sozialverwaltung steht in keinem guten Verhältnis zu dem Transfervolumen von maximal 15 Euro im Monat für soziale und kulturelle Aktivitäten. Die niedrige Inanspruchnahme von schätzungsweise weniger als 15 Prozent zeigt, dass die beabsichtigte Wirkung der Leistung in der Praxis kaum erreicht wird. 

Deshalb sollten nach Ansicht des SoVD die BuT-Leistungen ohne Nachweispflicht pauschaliert ausgezahlt werden. Dadurch lässt sich soziale Teilhabe von armutsbetroffenen Kindern und Jugendlichen fördern und die Sozialverwaltung wird entlastet. Außerdem können die Leistungen für kostenlose Mittagsverpflegungen, Schulausflüge, Beförderungen und Lernförderung unkomplizierter durch eine Kostenbefreiung der berechtigten Kinder an den Schulen und Kitas erbracht werden. Letztere müssten dafür mit einer entsprechenden Finanzierung ausgestattet werden.

Bagatellgrenzen bei Rückforderungen

Einige Träger der Sozialverwaltung sind dazu verpflichtet, auch kleinste Zahlungsansprüche, die sich zum Beispiel durch eine Korrektur eines Bescheides ergeben, gegenüber den Leistungsberechtigten einzufordern. Dabei kann ein Vielfaches des Rückforderungsbetrages an Verwaltungskosten entstehen. Die Einführung einer angemessenen Bagatellgrenze bei Rückforderungsansprüchen für alle sozialstaatlichen Rechtsgebiete ist dringend notwendig. Der SoVD empfiehlt daher, vergleichbare Regelungen zu der Bagatellgrenze von 50 Euro Rückforderungsbetrag nach §§ 40 Absatz 1 und 41a Absatz 6 SGB II auch für andere Sozialleistungen zu treffen.

Kosten der Unterkunft (KdU)

Die Kosten der Unterkunft können nur schwer bundesweit einheitlich pauschaliert werden. Ein bundesweiter Pauschalbetrag für Wohnkosten würde dazu führen, dass Millionen Menschen ihr Zuhause verlieren, da die tatsächlichen Wohnkosten nicht gedeckt wären und sich aufgrund der bereits zu niedrig bemessenen Regelbedarfe kaum durch Konsumverzicht ausgleichen ließen. Der Verlust des Lebensmittelpunktes und des sozialen Umfeldes kann nicht nur schwere Folgen für die soziale Teilhabe und die Bildungschancen der Kinder haben, sondern auch die Integration in den Arbeitsmarkt nachhaltig erschweren. Leistungsberechtigte, die es schaffen, die Wohnkostenlücke aus den Regelsätzen zu schließen, leiden unter den verschärften Armutsbedingungen.

Die Bewertung der Angemessenheit von Wohnkosten sollte aufgrund sehr heterogener Wohnkosten in Deutschland weiterhin unter Berücksichtigung des Mietniveaus und der Angebotsmieten vor Ort auf kommunaler Ebene erfolgen. 

Die IT-Anwendungen der Sozialverwaltung sollten ermöglichen, automatisiert die tatsächlichen Wohnkosten mit den Angemessenheitskriterien vor Ort abzugleichen, mit einzubeziehen und somit die wenigen Fälle zu filtern, in denen eine weitere Prüfung eines Kostensenkungsverfahrens durch Sachbearbeitung erforderlich wäre.

Die SoVD-Rechtsberatungsstellen berichten davon, dass bei den Kosten der Unterkunft regelmäßig trotz offensichtlich rechtswidrig hoher Kaltmieten und Nebenkosten, die Kosten übernommen oder Kostensenkungsverfahren eingeleitet werden. Der SoVD regt daher an, durch die IT-Systeme der Sozialverwaltung diese Kosten automatisiert zu prüfen. So könnten Fälle herausgefiltert werden, bei denen ein weiteres rechtliches Vorgehen der Sozialverwaltung sinnvoll wäre. Dadurch ließen sich die staatlichen Ausgaben für die KdU, Kostensenkungsverfahren zulasten der Leistungsbeziehenden und rechtswidrige Praxen von Vermieter*innen am Wohnungsmarkt verringern. Derartige „Mietwucher-Checks“ werden bereits am Markt angeboten. 

Mehrbedarfe

Bei Mehrbedarfen ist aus Sicht des SoVD das Potenzial von Pauschalierung bereits weitestgehend ausgeschöpft. Sie sind für die tatsächliche Bedarfsdeckung unverzichtbar, indem sie besondere Lebenslagen berücksichtigen, wie Schwangerschaft, Alleinerziehendsein oder eine aus medizinischen Gründen kostenaufwendigere Ernährung (z.B. bei bestimmten Krebs- oder Lungenerkrankungen). Außerdem haben Mehrbedarfe auch einen entlastenden Effekt auf die Sozialverwaltung, indem sie Belastungssituationen typisiert und pauschal berücksichtigen, für die ansonsten Härtefallanträge von Leistungsberechtigten zu erwarten wären. Dazu lässt sich ihr Bearbeitungsaufwand durch effizientere IT-Verfahren reduzieren. Der SoVD betont, dass mithilfe von Mehrbedarfen sozialen Härten begegnet werden kann, ohne dabei bedeutende Verwaltungskosten zu verursachen. Bei Zusammenlegung von Sozialleistungen sollten Mehrbedarfe in jedem Fall übernommen werden. 

Schnittstellen mit Sozialversicherungssystemen

Umschulungsmaßnahmen

Die Beantragung von Umschulungen ist für Betroffene mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, die vor allem aus unklaren Zuständigkeiten resultieren. In Betracht kommen die Agentur für Arbeit, Jobcenter, Deutsche Rentenversicherung oder Berufsgenossenschaft, wobei jeder Träger eigene Kriterien und Verfahren hat. Häufig schieben sich die Institutionen die Verantwortung gegenseitig zu, was dazu führt, dass Entscheidungen erst nach langen Verzögerungen getroffen werden.

Für die Betroffenen bedeutet dies eine Phase erheblicher Unsicherheit. Anträge müssen mehrfach gestellt, Unterlagen bei verschiedenen Stellen eingereicht und zahlreiche Termine wahrgenommen werden, während unklar bleibt, wann oder ob eine Maßnahme genehmigt wird. Dies verzögert nicht nur die berufliche Wiedereingliederung, sondern erhöht auch die psychischen und finanziellen Belastungen und die Dauer des Sozialleistungsbezugs.

Um die Verfahren zu vereinfachen und die Wartezeiten zu reduzieren, sollte geprüft werden, ob eine zentrale Stelle für die Bewilligung von Umschulungen zuständig sein sollte. Diese zentrale Instanz könnte eigenständig den zuständigen Kostenträger ermitteln, während die Umschulung bereits beginnt. Auf diese Weise ließe sich die Zeitspanne, in der Betroffene auf die Kostenübernahme angewiesen sind, auf ein Minimum reduzieren, ohne die finanzielle Absicherung zu gefährden.

Antrag auf Erwerbsminderungsrente im Bürgergeldbezug

Ein weiteres strukturelles Problem zeigt sich bei Menschen, die längere Zeit krankheitsbedingt arbeitsunfähig sind und im Bezug von Bürgergeld dazu aufgefordert werden, eine Rente wegen Erwerbsminderung zu beantragen. In vielen Fällen ist bereits im Vorfeld klar, dass ein Rentenanspruch aufgrund fehlender versicherungsrechtlicher Zeiten nicht bestehen wird. Dennoch wird das Verfahren von der Rentenversicherung durchgeführt, um eine medizinische Erwerbsminderung festzustellen. Diese Feststellung hat zur Folge, dass die Zuständigkeit für die finanzielle Absicherung vom SGB II auf das SGB XII übergeht, da die Person formal als erwerbsgemindert gilt, auch wenn keine Rentenzahlung erfolgt.

Das Problem entsteht dadurch, dass diese frühzeitige Feststellung einer Erwerbsminderung die spätere Möglichkeit eines Rentenanspruchs erheblich einschränkt. Wenn die versicherungsrechtlichen Zeiten zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt werden, verweist die Rentenversicherung häufig auf die bereits frühere Feststellung der Erwerbsminderung. Gleichzeitig waren die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum ursprünglichen Zeitpunkt nicht erfüllt, sodass ein Anspruch damals nicht bestanden hat. Betroffene haben in der Folge de facto kaum noch eine Möglichkeit, eine Erwerbsminderungsrente zu erhalten, es sei denn, sie können nachweisen, dass sie zwischenzeitlich vollständig genesen waren und erneut eine gesundheitliche Verschlechterung eingetreten ist, ein Nachweis, der in der Praxis nur selten gelingt.

Dieses Vorgehen führt zu erheblichen Nachteilen für die Betroffenen, da die formale Feststellung der Erwerbsminderung zu einem Zeitpunkt, an dem ein Anspruch nicht bestand, spätere Leistungsansprüche blockiert. Gleichzeitig wird der Wechsel der Zuständigkeit auf die Grundsicherung häufig als bürokratische Belastung erlebt, während die Perspektive auf eine spätere Rentenleistung verloren geht. Eine Anpassung der Regelungen, die eine frühzeitige medizinische Feststellung von der versicherungsrechtlichen Anspruchsprüfung trennt, wäre erforderlich, um eine faire und zukunftssichere Lösung für die Betroffenen zu gewährleisten.

Unklare Erstattungsverfahren bei rückwirkenden Rentenzahlungen und freiwilliger Krankenversicherung

Ein weiteres strukturelles Problem betrifft Personen, die rückwirkend eine Rente aus der Deutschen Rentenversicherung erhalten und in der Krankenversicherung nicht pflichtversichert sind, sondern freiwillig gesetzlich versichert bleiben. In diesen Fällen erhalten sie von der Rentenversicherung einen Zuschuss zu den freiwilligen Beiträgen. Gleichzeitig können frühere Sozialleistungsträger, etwa Jobcenter oder andere Institutionen, bereits Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung geleistet haben.

In der Praxis führt dies häufig zu komplizierten und unübersichtlichen Erstattungsverfahren. Die verschiedenen Träger (Rentenversicherung, Krankenkasse, frühere Sozialleistungsträger) verweisen die Verantwortung oft gegenseitig aufeinander, fordern teils dieselben Beträge zurück oder verweisen auf bereits geleistete Zahlungen, ohne dass für die Betroffenen nachvollziehbar geklärt wird, welche Beträge tatsächlich ausgezahlt oder verrechnet wurden.

Für die Betroffenen bedeutet dies eine erhebliche organisatorische und finanzielle Belastung. Sie müssen den Überblick über mehrere Verfahren behalten, werden zwischen verschiedenen Trägern hin- und herverwiesen und erhalten keine klare Auskunft über den Stand der Zahlungen. Teils ist es selbst den Behörden nicht mehr möglich, den Überblick zu behalten.

Auch hier regt der SoVD an, zu prüfen, ob eine zentrale Stelle für die Einziehung und Verteilung solcher Zahlungen zuständig sein sollte. Diese Instanz könnte die Zuschüsse und Beiträge korrekt an die Betroffenen ausführen, interne Verrechnungen zwischen den Trägern koordinieren und sicherstellen, dass die Belastung für die Betroffenen minimal bleibt. Gleichzeitig würde dies die Abstimmung zwischen den beteiligten Institutionen transparenter und nachvollziehbarer machen. 

Leistungsübergreifend konsistente Transferentzugsraten schaffen

Im Zuge der Sozialstaatsreform sollen auch die Transferentzugsraten und die Erwerbsförderung/-anreize behandelt werden. Dabei ist eine Transferentzugsrate der Prozentsatz, um den eine Sozialleistung sinkt, wenn das eigene Einkommen steigt. Der Transferentzug dient dazu, dass nur Menschen Sozialleistungen erhalten, die Unterstützung tatsächlich benötigen. Jedoch zeigen verschiedene Studien , dass erhebliche Probleme und Fehlanreize bei Transferentzugsraten entstehen, wenn verschiedene Sozialleistungsansprüche aufeinandertreffen.

Der SoVD fordert, dass die Transferentzugsraten der Sozialleistungen in ihrer Zusammenwirkung konsistenter gestaltet werden müssen. Dazu müssten sie über alle Einkommenszonen hinweg einem zweckmäßigen und nachvollziehbaren Schema folgen. Aktuell treten „Sprungstellen“ auf, wenn durch ein höheres Einkommen die Berechtigung für eine neue Sozialleistung vorliegt, zum Beispiel vom Bürgergeld in das Wohngeld. Die Grenzbelastung erreicht in diesen Sprungstellen je nach Haushaltstyp über 100 Prozent, das bedeutet, dass den Leistungsberechtigten mehr Transferleistungen entzogen werden, als sie zusätzlich durch Erwerbseinkommen verdienen. Auch wenn sich diese Sprungstellen über die Einkommenszonen hinweg relativieren, besteht aus Sicht des SoVD dringender Handlungsbedarf. Eine Möglichkeit bestünde darin, Sozialleistungen miteinander zusammenzulegen, wie den Kinderzuschlag und das Wohngeld. Alternativ ließe sich der Transferentzug auch durch Gesetzesanpassungen in den Sozialleistungssystemen besser aufeinander abstimmen.

Handlungsbedarf besteht auch bei der Höhe der Transferentzugsraten. Leistungsberechtigte sollten ihr verfügbares Einkommen spürbar durch Erwerbstätigkeit steigern können. Dabei stellt der SoVD fest, dass bei vielen Sozialleistungen bereits erwerbsförderliche Freibetragsregelungen gelten. Zum Beispiel gilt beim Bürgergeld eine Stufenregelung bei der Anrechnung von Einkommen (§ 11b Abs. 2 und 3 SGB II). Dadurch ließe sich beispielsweise bei einem Bruttoeinkommen von 1.200 Euro im Monat 348 Euro dazuverdienen. Beim Kinderzuschlag wiederum werden gemäß § 6a Abs. 5 und 6 BKGG nur 45 Prozent des Erwerbseinkommens angerechnet, das den Elternbedarf übersteigt, wobei in Kombination mit Wohngeld eine starke Transferentzugswirkung entstehen kann. Dies unterstreicht, dass Erwerbsanreize vor allem durch das Zusammenwirken der Transferentzugsraten verschiedener Sozialleistungen verzerrt werden.

Grundsätzlich sollte bei der Erwerbsförderung von Menschen im Sozialleistungsbezug nicht alleine auf finanzielle Anreize abgestellt, sondern auch die Arbeitsmarktförderung im Blick behalten werden. Außerdem fordert der SoVD, grundsätzliche Rahmenbedingungen zu verbessern, damit Erwerbstätige auch von ihrer Arbeit leben können. Dazu gehört vor allem ein gesetzlicher Mindestlohn von 15,12 Euro pro Stunde. Auch unfreiwillige Teilzeit aufgrund unzureichenden Kinderbetreuungsangebots und Lohndiskriminierung am Arbeitsmarkt müssen angegangen werden.

Ein weiterer Baustein im Zusammenhang mit Erwerbsanreizen betrifft die Freibetragsregelung in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auf die gesetzliche Rente. Hier fordert der SoVD die Streichung der Voraussetzung von 33 Grundrentenjahren. Wer Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt hat und damit eine gesetzliche Rente erhält, muss einen Teil davon in der Grundsicherung behalten dürfen. 

Harmonisierungen und Zusammenlegen von Sozialleistungen

Wohngeld und Kinderzuschlag

Im Koalitionsvertrag wurde explizit festgehalten, die Zusammenlegung von Wohngeld und Kinderzuschlag zu prüfen. Dies ist auch insofern naheliegend, da beides Sozialleistungen sind, die Menschen mit geringem Einkommen oberhalb des Grundsicherungsniveaus unterstützen. Da viele Personen diese Leistungen parallel beziehen, erspare sich dadurch der doppelte Aufwand für Bürger*innen beim Leistungsantrag und Behörden bei der Bearbeitung. Der SoVD hält es für notwendig, die Zugänglichkeit beider Leistungen zu steigern. Die Nicht-Inanspruchnahmequote wird beim Wohngeld auf zwischen 50 und 86,6 Prozent sowie beim Kinderzuschlag auf zwischen 60 und 88 Prozent geschätzt . 

Beide Sozialleistungen sind dabei sehr unterschiedlich ausgestaltet. Während beispielsweise der Kinderzuschlag an vielen Stellen auf das SGB II verweist, wird das Wohngeld anhand der vergleichsweise komplexen Wohngeldformel berechnet. Der SoVD empfiehlt daher, eine Simulation der Auswirkungen verschiedener Reformvorschläge durchzuführen. Dies ist wichtig, um sicherzustellen, dass das soziale Schutzniveau bei der Zusammenlegung konsequent bewahrt wird.

Leistungshöhe BAföG an Grundsicherungsniveau anpassen

Die staatlichen Leistungen BAföG und Bundesausbildungsbeihilfe (BAB) sollen jungen Menschen eine Ausbildung und ein Studium ermöglichen, die sie sich andernfalls nicht leisten könnten. Praktisch bedeutet dies, dass sie den Lebensunterhalt der Leistungsberechtigten sicherstellen müssen. Dies gelingt ihnen jedoch nur teilweise, denn die Bedarfe sind unterhalb des Grundsicherungsniveaus und die Wohnkostenpauschale ist für viele Studien- und Ausbildungsorte schlicht unzureichend.

Der SoVD empfiehlt, im BAföG-Gesetz nachzubessern und auf die Regelbedarfe des SGB XII zu verweisen. Außerdem sollten die tatsächlichen Wohnkosten wie beim Kinderzuschlag berücksichtigt werden. Dadurch ließe sich die weit verbreitete Armut unter Studierenden und Auszubildenden bekämpfen und verhindern, dass junge Menschen prekäre Arbeitsverhältnisse aufnehmen müssen, anstatt Bildungschancen für eine bessere Zukunft wahrzunehmen. Dies ist aufgrund des Fachkräftemangels und des demographischen Wandels auch im gesamtgesellschaftlichen und wirtschaftspolitischen Interesse. Außerdem könnten dadurch Parallelregelungen zwischen den Sozialleistungen abgebaut und die Bildungsgerechtigkeit verbessert werden. Der SoVD fordert außerdem, dass das BAföG elternunabhängig und existenzsichernd gewährt wird.

Grundsicherungsleistungen nach SGB II und SGB XII

In Deutschland gibt es verschiedene Sozialleistungen, die sicherstellen sollen, dass jedem*jeder Bürger*in das soziokulturelle Existenzminimum gewährt wird: das Bürgergeld, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und Hilfen zum Lebensunterhalt.

Obwohl alle drei das gleiche Ziel verfolgen und die Übernahme der Wohnkosten sowie die Regelbedarfe nach Anlage zu § 28 SGB XII zu leisten sind, kommt es in der Praxis zu Schnittstellenproblemen.

Dies tritt zum Beispiel bei Alleinerziehenden auf, die selbst Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beziehen. Da ihre minderjährigen Kinder selbst keinen Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung haben, müssen sie in der Regel Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem dritten Kapitel des SGB XII beziehen (ab 15 Jahren dann Bürgergeld nach SGB II). Der Umstand, dass die Familie in unterschiedliche Rechtskreise zugeordnet ist, ist für Betroffene schwer nachzuvollziehen. Dazu kommen die unterschiedlichen Regelungen von Kapitel 3 und Kapitel 4 des SGB XII hinzu. So werden die Kosten der Unterkunft teilweise unterschiedlich in den Leistungen geregelt, obwohl es sich um eine Familie handelt, die gemeinsam in einer Unterkunft lebt.

Ein weiteres Problem ist aus Sicht des SoVD, dass für das SGB XII regelmäßig ungünstigere Regelungen im Vergleich zum SGB II getroffen werden. Dies betrifft unter anderem das Schonvermögen und die Anrechnung von Einkommen.

Der SoVD kritisiert die unterschiedlichen Regelungen im Grundsicherungssystem. Sie sorgen für Benachteiligungen einzelner Berechtigungsgruppen innerhalb der Grundsicherung und für einen unzumutbaren bürokratischen Aufwand für Leistungsberechtigte und Sozialverwaltung. Der SoVD regt an, die Empfehlungen des Deutschen Vereins für private und öffentliche Fürsorge e. V. bei den notwendigen Anpassungen zu berücksichtigen. 

Außerdem fordert der SoVD, die Regelbedarfsermittlung grundsätzlich zu reformieren. Denn sie werden durch verschiedene politische Entscheidungen grundsätzlich kleingerechnet, was zu einer Unterdeckung in wichtigen Lebensbereichen führt. Zum Beispiel wurde bei der Regelbedarfsermittlung weniger Geld für Lebensmittel berücksichtigt, als für eine ausgewogene Ernährung entsprechend der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) notwendig wäre.

Eingliederungshilfe

Der SoVD fordert, dass die Eingliederungshilfe bedarfsgerechte und personenzentrierte Leistungen erbringen muss, die den Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung ermöglichen.

Die Eingliederungshilfe wird oft aufgrund gestiegener Kosten kritisiert, obwohl nur ein geringer Teil seit Erlass des Bundesteilhabegesetzes auf Leistungserweiterungen für Menschen mit Behinderungen zurückzuführen ist. Der weitaus größte Teil der Kostensteigerungen ist auf ineffizientes Verwaltungshandeln zurückzuführen.

Der SoVD unterstützt die Entbürokratisierung bei den Antragstellungen. Ein gemeinsamer Grundantrag könnte einen wesentlichen Beitrag dazu leisten. Bedarfsermittlungsverfahren im Sinne des § 118 SGB IX müssen vereinheitlicht werden. Es sollte ein bundesländerübergreifendes Instrument zur Bedarfsermittlung entwickelt werden, um hier auch Verwaltungsstrukturen zu verschlanken.

Vereinheitlichung von Einkommens- und Vermögensbegriffen

Viele Sozialleistungen sind dazu gedacht, Menschen zu unterstützen, die wirtschaftlich nicht oder nur teilweise in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. Damit wirklich den Menschen geholfen wird, die Hilfe benötigen, finden Bedürftigkeitsprüfungen statt. Dadurch wird verhindert, dass sie an Menschen ausgezahlt werden, die über ein ausreichendes Einkommen oder über großes Vermögen verfügen und keine staatliche Hilfe benötigen.

Im Sozialrecht finden sich jedoch unterschiedliche Bestimmungen dazu, was als Einkommen und Vermögen zu verstehen ist. Dies erschwert es für Bürger*innen und die Sozialverwaltung, zuzuordnen, auf welche Sozialleistung ein Anspruch besteht und auf welche nicht. Dies zeigt aus Sicht des SoVD, dass die Vereinheitlichung im Rahmen der Sozialstaatsreform Potenzial für Verbesserung bietet. Ein weitestgehend vereinheitlichter Einkommens- und Vermögensbegriff beschränke sich nicht nur auf das Sozialrecht, sondern könnte auch für die Bewilligung von Wohnberechtigungsscheinen und sozialer Staffelungen bei Förderprogrammen genutzt werden. 

Zugleich warnt der SoVD, dass dadurch Kürzungen für viele Leistungsberechtigte entstehen können. Zum Beispiel weist der Einkommensbegriff im Wohngeld teilweise günstigere Regelungen für sie auf, im Gegensatz zu den Grundsicherungsleistungen. Es ist wichtig, entsprechende Leistungsverschlechterungen zu kompensieren, um das soziale Schutzniveau zu bewahren.

Wichtig ist aus Sicht des SoVD, dass bei Abzugsbeträgen von der Einkommensanrechnung in allen Sozialleistungen mindestens die tatsächlich vom Arbeitnehmer gezahlten Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 21,55 Prozent berücksichtigt werden. Während dies bei Grundsicherungsleistungen sowie dem BAföG bereits erfolgt, werden beim Wohngeld gemäß § 16 WoGG pauschal nur 20 Prozent für Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung und die Arbeitslosenversicherung gar nicht berücksichtigt.

Der SoVD fordert auch, dass bei der Vereinheitlichung des Vermögensbegriffs Nachteile für Leistungsberechtigte vermieden werden müssen. Außerdem sollte in allen Sozialleistungen ein angemessenes Schonvermögen eingeräumt werden. Insbesondere die diesbezügliche Karenzzeitregelung nach § 12 Absatz 3 und 4 SGB II beim Bürgergeld hat sich bewährt, da sie Menschen unterstützt, die nur kurzzeitig Bürgergeld benötigen, und sowohl für Leistungsberechtigte als auch für Jobcenter bürokratischen Aufwand erspart.

12. September 2025

DER VORSTAND
Abteilung Sozialpolitik